Ausgabe 2/2025
Herausgeber: Berliner Rechtszeitschrift e.V.
Schriftleitung: Benedict Ertelt, Ivette Félix Padilla, Diyar Kılıç, Arne Stockum, Valentin Stojiljkovic, Paul Suilmann, Leon Trampe
Verlagsleitung: Clara Vogel, Alice Tsapov (Stv.)
Redaktion: Timur Aksu, Rabea Albayrak, Mia Barnikel, Ludwig Berghofer, Tim Bielig, Annemarie Bode, Wilhelm Böttcher, Vanessa Braun, Yeseo Choi, Nadia Félix Padilla, Sofia Flotho, Marike Franke, Konstantin Gasoski, Mira Gerth, Anastasija Glinina, Marlen Graf, Lilli-Marleen Gramckow, Victoria Haub, Tatiana Jakubócyová, Felix Janousek, Shiva Khakrah, Vincent Link, Julian Lochen, Maximilian Lotz, Johanna Mattat, Charlotte Müller, Matthias Nikutta, Piet Oevermann, Jona Outzen, Lilly Paeßens, Viktoria Parkanyi, Nadja Rode, Chris-Marlon Rump, Marvin Ruppert, Maximilian Schulze, Anna Snoppek, Lasse Stegenwallner, Alice Tsapov, Clara Vogel, Dilem Pia Yildiz, Elias Zengin, Emma Zimmermann
Wissenschaftlicher Beirat: Univ.-Prof. Dr. Christian Armbrüster, Univ.-Prof. Dr. Helmut Philipp Aust, Univ.-Prof. Dr. Gregor Bachmann, LL.M. (Michigan), Dr. Lukas Böffel, LL.M. (Berkeley), Prof. Dr. Burkhard Breig, Univ.-Prof. Dr. Christian Calliess, LL.M. Eur, Univ.-Prof. Dr. Ignacio Czeguhn, Univ.-Prof. Dr. Kirstin Drenkhahn, Univ.-Prof. Dr. Katharina de la Durantaye, LL.M. (Yale), Prof. Dr. Torben Ellerbrok, Mag. rer. publ., Univ.-Prof. Dr. Andreas Engert, LL.M. (Univ. Chicago), Dr. Andreas Fijal †, Univ.-Prof. Dr. Johannes W. Flume, Univ.-Prof. Dr. Helmut Grothe, Prof. Dr. Thomas Grützner, Prof. Niko Härting, Univ.-Prof. Dr. Felix Hartmann, LL.M. (Harvard), Univ.-Prof. Dr. Markus Heintzen, Univ.-Prof. Dr. Klaus Hoffmann-Holland, Univ.-Prof. Dr. Heike Krieger, Univ.-Prof. Dr. Bertram Lomfeld, Univ.-Prof. Dr. Cosima Möller, Univ.-Prof. Dr. Carsten Momsen, Univ.-Prof. Dr. Olaf Muthorst, Prof. Dr. Bettina Rentsch, LL.M. (Michigan), Univ.-Prof. a. D. Dr. Helmut Schirmer, Univ.-Prof. Dr. Gerhard Seher, Dr. Michael Sommerfeld, Prof. Dr. Björn Steinrötter, Prof. Dr. Johannes Weberling, Prof. Dr. Maik Wolf, Univ.-Prof. Dr. Johanna Wolff, LL.M. eur. (KCL)
Die zweite Ausgabe im Jahr 2025 umfasst eine Auswahl aus mehr als 52 Einsendungen, die uns aus dem gesamten Bundesgebiet erreichten.
Den Auftakt bildet das Editorial von Prof. Dr. Markus Lieberknecht, Prof. Dr. Bettina Rentsch, Prof. Dr. Giesela Rühl und Dr. Sophia Schwemmer. Sie stellen ihre ersten Ausgaben von „Berlin Talks: Private International Law” vor. Ab dem kommenden Wintersemester werden mehrfach pro Semester Diskussionen über aktuelle Entwicklungen und spannende Grundsatzfragen folgen.
Im zweiten BRZ-Interview sprechen wir mit Lilith Rein, Mitgründerin der Feminist Law Clinic, über feministische Rechtswissenschaft und das Engagement von Studierenden für eine geschlechtergerechte Rechtspraxis.
In ihrem Beitrag „Aus der Lehre“ widmen sich Dr. Lukas Böffel und Dr. Markus Weber der Assessorexamensklausur, der letzten Hürde vor der mündlichen Prüfung. Der Beitrag soll zeigen, dass die Herausforderungen von Umfang, Klausurtypen und Zeitdruck mit guter Organisation und gezielter Vorbereitung bewältigt werden können.
Zum 500-jährigen Jubiläum des Deutschen Bauernkrieges von 1525 beleuchtet Len Klingelmeyer die zentralen Forderungen der Bauernschaft aus rechtlicher, aber auch religiös-sozialer Perspektive. Anhand der oberschwä-bischen Zwölf Artikel untersucht der Beitrag die Bedeutung des Freiheitsbegriffs und dessen Grenzen.
In seinem hochaktuellen Beitrag aus dem Immaterial-güterrecht beleuchtet Kevin Ambrosius urheberrechtliche Implikationen von Deepfakes. Gegenstand der Betrachtung sind sowohl in Betracht kommende Urheberrechts-verletzungen sowie die Frage, ob Deepfakes selbst schutzfähig sein können.
Das Kartellschadensersatzrecht ist Gegenstand des Beitrags von İpek Sera Şenyuva. Sie geht der Frage nach, ob sich aus dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz eine Verpflichtung zur Einführung eines Mindestschadens ableiten lässt. Den Ausgangspunkt ihrer Überlegungen bildet die Thermofenster-Entscheidung des BGH, wo ein unionsrechtlich gebotener Mindestschaden erstmalig anerkannt wurde.
Im öffentlichen Recht untersucht Shashwati Wagle die Verlagerung europäischer Asylverfahren in Drittstaaten und deren Vereinbarkeit mit der Europäischen Menschenrechtskonvention. Der Beitrag zeigt, wie Praktiken kollektiver Rückführungen und Freiheits-entziehungen grundlegende Schutzrechte gefährden und der EGMR diese durch das Konzept der culpability zunehmend relativiert.
Last but not least untersucht Morsal Nilofar Azizi das strafprozessuale Zwischenverfahren, das oftmals auf eine formale Prüfung der Anklageschrift beschränkt wird, obwohl es erhebliche Risiken für Fehlurteile birgt. Der Beitrag analysiert strukturelle Defizite, kognitive Verzerrungen und begrenzte Verteidigungsrechte der Angeschuldigten. Schließlich diskutiert der Beitrag Reformansätze zur Stärkung der richterlichen Unab-hängigkeit und der Verdachtsprüfung.
Diese Ausgabe ist das Ergebnis des engagierten Einsatzes eines Teams, das sich seit der letzten Ausgabe personell verändert hat. Die Schriftleitung wird seit dieser Ausgabe durch Arne Stockum verstärkt, der zuvor das Unterressort Grundlagen des Rechts leitete.
Wir wünschen Ihnen und Euch eine anregende Lektüre!
Benedict Ertelt, Ivette Félix Padilla, Diyar Kılıç,
Valentin Stojiljkovic, Arne Stockum,
Paul Suilmann und Leon Trampe.
Berlin Talks: Private International Law
von Andreas Engel (Universität Heidelberg / Weizenbaum Institut)
Markus Lieberknecht (Universität Osnabrück),
Bettina Rentsch (Freie Universität Berlin),
Giesela Rühl (Humboldt-Universität zu Berlin),
und Sophia Schwemmer (Universität Heidelberg)
Lilith Rein: Feministische Rechtswissenschaft und studentisches
Engagement für eine geschlechtergerechte Rechtspraxis
Interview geführt von Ivette Félix Padilla
Beiträge
Aus der Lehre
Die Assessorexamensklausur ist vor der mündlichen Prüfung die letzte Schwelle, die es auf dem Weg zum Berufseinstieg als Volljurist zu bewältigen gilt. Und auch diesmal scheinen die Herausforderungen schier unüberwindbar. Neben dem Klausurumfang und den zahlreichen Klausurtypen ist gefühlt viel zu wenig Zeit vorhanden, um sich gewissenhaft auf die Prüfungen vorzubereiten. Dem ist nicht so. Das Assessorexamen gelingt mit gut organisierter und disziplinierter Vorbereitung. Dieser Aufsatz soll einen kleinen Beitrag hierzu leisten. Dafür präsentiert er allgemeine und spezielle Aspekte, die als Werkzeuge zur individuellen Klausurübung in allen drei Rechtsgebieten verstanden werden können. Er gibt einen Überblick über den Klausurmodus, die verschiedenen Klausurtypen und zentrale Weichenstellungen, die nach der Einschätzung der Verf. herangezogen werden können, um das Bearbeitungsniveau
insgesamt zu heben.
grundlagen
Der deutsche Bauernkrieg von 1525 feiert 500-jähriges Jubiläum. Tausende Aufständische zogen damals gegen die Obrigkeit durch das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. In dem zentralen Dokument dieses Ereignisses – den Zwölf Artikeln – fordern die Aufständischen „Freiheit“. Was aber steckt hinter dieser Freiheitsforderung? Diese Frage ist aus drei Perspektiven zu beantworten. Rechtlich-wirtschaftlich wird zunächst erörtert, welche Lasten mit der Leibeigenschaft, deren Abschaffung gefordert wird, verbunden waren. In religiös-sozialer Hinsicht wird das Zusammenspiel von Einflüssen der Frühreformation und ständischer Degradierung der Bauern fruchtbar gemacht. Hier wird ein egalitäres Moment der Freiheitsforderung sichtbar. Zuletzt wird sich der Freiheit aus politischer Perspektive genähert. Zwar sind politische Konsequenzen der Freiheitsforderung nicht zu verkennen, doch sind weitgehende
Entwürfe einer neuen politischen Ordnung jedenfalls der Masse der Aufständischen nicht zu attestieren.
Zivilrecht
Deepfakes werden vor allem deshalb diskutiert, weil sie Manipulation, Desinformation oder Persönlichkeitsverletzungen beinhalten. Dabei wird jedoch häufig übersehen, dass sie ebenso neue Ausdrucksformen etwa in den Bereichen Kunst, Bildung oder Entertainment eröffnen. Wo diese (positiven) Deepfakes mit urheberrechtlich geschützten Schutzgegenständen in Konflikt geraten, treten urheberrechtliche und zugleich grundrechtliche Fragen auf. Gegenstand der Betrachtung sind etwaige in Betracht kommende Urheberrechtsverletzungen. Es wird sich der Frage gewidmet, ob das geltende Urheberrecht in der Lage ist, das schutzwürdige Potential derartiger Deepfakes normativ sachgerecht zu berücksichtigen. In einem zweiten Schritt wird die grundsätzliche Frage untersucht, ob KI-generierten Inhalten – insbesondere dem Deepfake – ein urheberrechtlicher Werkcharakter zuzusprechen ist. Die Untersuchung wird zeigen, dass das aktuelle Urheberrecht nicht immer zu sachgerechten Ergebnissen kommt.
Die Durchsetzung kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche scheitert häufig an der Bezifferung der Schadenshöhe, obwohl Kartelle erhebliche Schäden für Abnehmer und Wettbewerb verursachen. Dies wirft die Frage auf, wie Geschädigte wirksam zu ihrem Recht kommen können und ob die geltenden Instrumente den unionsrechtlichen Anforderungen an eine effektive Rechtsdurchsetzung tatsächlich genügen. Vor diesem Hintergrund untersucht die Arbeit, ob sich aus dem europäischen Effektivitätsgrundsatz eine unionsrechtliche Verpflichtung zur Einführung eines Mindestschadens ableiten lässt. Ausgangspunkt ist das Thermofenster-Urteil des BGH, in dem erstmals ein unionsrechtlich gebotener Mindestschaden anerkannt wurde. Im Fokus steht die Frage, ob und in welcher Form sich eine vergleichbare Dogmatik auf das Kartellrecht übertragen lässt und wie sich ein pauschalierter Mindestschaden unter Berücksichtigung der deutschen Schadensdogmatik, insbesondere dem Totalreparationsprinzip und § 287 ZPO, umsetzen lässt.
Öffentliches Recht
Die Externalisierung von Asylverfahren in Drittstaaten hat sich zu einem zentralen Ansatz europäischer Migrationspolitik entwickelt, wirft jedoch erhebliche menschenrechtliche Herausforderungen im Kontext der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) auf. Insbesondere das Verbot der Kollektivausweisung (Art. 4 Prot. 4) sowie der Schutz vor willkürlicher Freiheitsentziehung (Art. 5) werden durch systematische Merkmale wie kollektive Ausweisungen und de facto Inhaftierungen gefährdet. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) relativiert diese Schutzrechte zunehmend durch das Konstrukt der culpability, das Schutzsuchenden eine Mitverantwortung zuschreibt. Die Arbeit zeigt auf, dass die Praxis der Drittstaatenauslagerung mit den grundlegenden Prinzipien des europäischen Menschenrechtsschutzes nicht im Einklang steht, und fordert eine konsequente menschenrechtliche Rückbesinnung zur Wahrung effektiver Schutzstandards.
Strafrecht
Das Zwischenverfahren wird im deutschen Strafprozess häufig auf eine rein formale Prüfung der Anklageschrift – etwa im Hinblick auf ihre Zulässigkeit und formgerechte Abfassung – reduziert, obwohl es mehrere entscheidende Fehlerquellen birgt, die die Entstehung von Fehlurteilen begünstigen können.
Dieser Beitrag zeigt, dass insbesondere die personelle Identität zwischen Eröffnungs- und Hauptverhandlungsgericht sowie kognitive Verzerrungen, etwa der confirmation bias oder der Perseveranzeffekt, das Risiko von Fehlurteilen erheblich erhöhen. Zudem bleibt die Kontrollfunktion des Zwischenverfahrens aufgrund eingeschränkter richterlicher Aufklärungsmöglichkeiten und begrenzter Verteidigungsrechte strukturell defizitär. Ein rechtsvergleichender Blick auf US-amerikanische Modelle wie die grand jury und die preliminary hearings offenbaren, dass strukturelle Reformen zur Fehlervermeidung beitragen könnten. In Anbetracht dessen plädiert dieser Beitrag für eine Reform des Zwischenverfahrens, die die Unabhängigkeit des Eröffnungsrichters stärkt, Verteidigungsrechte ausbaut und eine differenzierte Prüfung der Verdachtslage gewährleistet.
Die Gesamtausgabe der BRZ 2/2025 finden Sie hier.
